Olympisches Dorf 116
Staatliches
Olympische Dorf
Das ehemalige Olympische Dorf Berlin der Olympischen Sommerspiele 1936 liegt im brandenburgischen Elstal. Der heutige Ortsteil der Gemeinde Wustermark liegt 18 Kilometer westlich des Berliner Olympiastadions
Namensgebung
Planskizze des Olympischen Dorfes Berlin 1936 auf einem Zigarettenbild
Die Unterkünfte erhielten von NS-Seite die Bezeichnung Dorf des Friedens, gleichzeitig sah der Plan vor, „die schönste Kaserne der Welt“ zu erschaffen.[1] Es stand jedoch bereits bei Beginn der Planungen fest, dass nach den Olympischen Spielen die Wehrmacht die Anlagen nutzen sollte; gleich nebenan lag der Truppenübungsplatz Döberitz. Somit war das Sportler-Dorf von Anfang an Bestandteil der verdeckten NS-Aufrüstung.[2] Die Häuser wurden für ihren späteren Zweck massiv gebaut.
Gliederung der Anlage
„Speisehaus der Nationen“, 1936
Der Teich im Olympischen Dorf, 1939
Das Olympische Dorf wurde von den Gebrüdern Werner und Walter March geplant und in den Jahren 1934 bis 1936 auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Wustermark (Ortsteil Elstal, 18 Kilometer westlich des Olympiastadions in Berlin)
errichtet. Hier wohnten während der Spiele die rund 3600 männlichen
Athleten mit Betreuern und Personal, während die rund 330 weiblichen
Teilnehmer in Unterkünften auf dem Gelände des direkt an das
Olympiastadion angrenzenden Deutschen Sportforums untergebracht waren. Jedes Haus bekam den Namen einer deutschen Stadt, das Speisehaus der Nationen hieß zum Beispiel Haus Berlin. Die Gebäude sollten einer Anordnung wie auf einer Deutschlandkarte entsprechen.[3] In den Sportlerunterkünften lag im Gemeinschaftsraum eine Broschüre Das olympische Dorf begrüßt seine Gäste aus. Die künstlerische Gestaltung (u. a. Wandbilder) wurde von Johann Vincenz Cissarz, Hugo Bäppler, Albert Windisch und Franz Karl Delavilla ausgeführt, die hierfür später die „Olympia-Medaille“ bekamen.
Das Dorf bestand aus einem Empfangsgebäude, 136 eingeschossigen und
fünf zweigeschossigen Wohnbauten, einem großen Speisehaus, einem
Küchenhaus, dem Hindenburghaus, dem Kommandantenhaus, einer Sporthalle,
einer Schwimmhalle, einer Sauna sowie einem Ärzte- und Krankenhaus. Das Speisehaus Haus der Nationen
bestand aus 38 Speisesälen, die jeweils einer Nation zur Einnahme des
Essens und der Geselligkeit dienten. Es war so geplant, dass vom
obersten der drei terrassenartig angelegten Stockwerke aus das
Olympiastadion zu sehen war. Im Hindenburghaus gab es
Unterhaltungsveranstaltungen.
Es wurde mitten im Olympischen Dorf ein Thing-Platz – getreu der NS-Thingbewegung – angelegt.[4] Nachdem eine britische Zeitung während der Olympischen Spiele bemängelt hatte, dass dem Idyll die Störche fehlten, ließen die NS-Organisatoren die Vögel im Berliner Zoo einfangen und brachten sie zum Teich des Dorfes.[5]
Die bewachte Anlage war auch während der Olympischen Sommerspiele
umzäunt. Strenge Bestimmungen regelten den Zutritt, der beispielsweise
für Frauen untersagt war.[6]
Während der Olympischen Spiele
Spyridon Louis (Mitte, in Volkstracht) beim Besuch der Olympischen Spiele, 30. Juli 1936
Der Großteil der männlichen Olympiateilnehmer residierte im
Olympischen Dorf. Es sollte ein Ort der Ruhe sein, an den sich die
Sportler zurückziehen konnten. Zugleich ermöglichte es die
kostengünstige Unterbringung und Verpflegung der Athleten und bot ihnen
Trainingsmöglichkeiten sowie ein Unterhaltungsprogramm. Um die Ruhe
sicherzustellen, wurde es rund um die Uhr von der Gestapo bewacht, die u. a. eine vollständige Postzensur sicherstellte und in den täglichen Berichten an der Organisationskomitee der Spiele über die Berliner Prostituierten berichtete sowie über deren Rassenschande mit afroamerikanischen Athleten.[7]
Im Hindenburghaus fand das abendliche Unterhaltungsprogramm statt,
das durch die Leitung der NS-Kulturgemeinde veranstaltet wurde. Dazu
gehörten Berichte über die Olympischen Spiele, Filmwochenschauen,
Spielfilme, Sportfilme, Kabarett, Konzerte, Ballett und Kulturfilme. Im
großen Saal des Hauses gab es abendlich auch Filmvorstellungen. Zu sehen
bekamen die Athleten auch einen Streifen mit dem Titel Der Neuaufbau des deutschen Heeres, was zu Protesten führte. Im Gebäude befindet sich noch heute ein riesiges Relief des Künstlers Walther von Ruckteschell, das marschierende Soldaten mit Stahlhelm und geschultertem Gewehr zeigt und die Inschrift trägt: „Möge die Wehrmacht ihren Weg immer kraftvoll und in Ehren gehen als Bürge einer starken deutschen Zukunft.“[1]
Alle Athleten, die hier ihr Olympia-Quartier bezogen, kamen an der in
rötlichen Stein gemeißelten Losung vorbei – wollten sie zum abendlichen
Amüsement mit Bühnenprogramm.[8]
Ärztliche, medizinische und hygienische Organisation
Während die Organisation der ärztlichen Versorgung von Besuchern und Athleten an den Wettkampf- und Übungsstätten der Olympischen Spiele Leonardo Conti oblag, zeichnete im Olympischen Dorf die Wehrmacht für die Gestaltung des ärztlichen oder auch medizinischen Dienstes verantwortlich.[9] Die dortige Gesamtleitung im Bereich Hygiene sowie bei der allgemeinen ärztlichen Versorgung wurde Generalarzt Heinz Ziaja übertragen.
Während die Organisation der ärztlichen Versorgung von Besuchern und Athleten an den Wettkampf- und Übungsstätten der Olympischen Spiele Leonardo Conti oblag, zeichnete im Olympischen Dorf die Wehrmacht für die Gestaltung des ärztlichen oder auch medizinischen Dienstes verantwortlich.[9] Die dortige Gesamtleitung im Bereich Hygiene sowie bei der allgemeinen ärztlichen Versorgung wurde Generalarzt Heinz Ziaja übertragen.
Nach den Olympischen Spielen
Von 1934 bis 1936 war Wolfgang Fürstner
als erster Kommandant des Sportlerquartiers verantwortlich für den in
Wehrmacht-Regie erfolgten Baubetrieb. Am 27. Mai 1936 wurde er wegen
angeblicher Führungsschwäche durch Werner von Gilsa
ersetzt, Fürstner blieb jedoch stellvertretender Kommandant. Nach der
nationalsozialistischen Diktion galt Fürstner als „Vierteljude“, da er
einen jüdischen, wenn auch getauften Großvater hatte. Drei Tage nach
Ende der Olympischen Sommerspiele beging er Selbstmord. Zuvor war er
noch mit dem Olympia-Ehrenzeichen I. Klasse
ausgezeichnet worden. Da kein Abschiedsbrief überliefert ist, kann über
das Motiv nur spekuliert werden: Eine von Fürstner eventuell
befürchtete Entlassung aus dem Militärdienst wegen des fehlenden Ariernachweises,
die Kritik an seiner Arbeit durch obere Stellen, oder die angeblichen
Scheidungspläne seiner Frau Leonie (geb. von Schlick). Um
internationales Aufsehen zu vermeiden, wurde der Tod als Unglücksfall
dargestellt.[10]
Nach den Olympischen Spielen wurden auf dem Gelände eine Infanterieschule und ein Infanterie-Lehrregiment untergebracht. Das Speisehaus der Nationen beherbergte ein Militärhospital, genannt das Olympialazarett.
Diese zukünftige Nutzung war bereits beim Entwurf des Gebäudes
berücksichtigt worden: Im zweiten und dritten Geschoss wurden große
Terrassen angelegt, auf die die Kranken mitsamt Bett geschoben werden
konnten.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs zog die sowjetische Armee auf dem Gelände ein und nutzte es bis zum Abzug 1992. Unter anderem hatte der SASK Elstal
hier seinen Sitz, in dem sowjetische Leistungssportler während ihres
Wehrdienstes in Deutschland trainieren konnten. Der SASK Elstal nahm
gelegentlich an Sportveranstaltungen in der DDR, wie an Turnieren und Sportfesten, aber an keinen Meisterschaften und Punktspielen, teil.
Das Olympische Dorf heute
Die größten, noch halbwegs erhaltenen Ruinen auf dem Gelände sind das Haus der Nationen,
die ehemalige Schwimmhalle und einige Mannschaftsunterkünfte. In einem
guten Zustand befindet sich die Turnhalle. Die Schwimmhalle wurde 1993
durch Brandstiftung stark beschädigt und 2011 äußerlich wieder
rekonstruiert.[11] Im Zuge der Gebietsreform in den 1990er Jahren wurde das Gelände unter dem Protest der Dallgower Gemeindevertretung der Nachbargemeinde Elstal zugeschlagen, die ihrerseits wiederum 2002 nach Wustermark eingemeindet wurde.
Das Olympische Dorf steht unter Denkmalschutz und ist von April bis Oktober täglich von 10 bis 16 Uhr, auch mit fachkundiger Führung, zu besichtigen. Die DKB-Stiftung für gesellschaftliches Engagement
hat das historische Olympische Dorf erworben und kümmert sich um die
Erhaltung der verbliebenen Gebäude, die durch die militärische Nutzung
in der Nachkriegszeit nicht gepflegt wurden.[12] In den 2010er Jahren wurde eine Mannschaftsunterkunft als „Jesse-Owens-Haus“ saniert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.