Bömisches Brauhaus
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Böhmisches Brauhaus
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Das Böhmische Brauhaus war eine Brauerei in Berlin-Friedrichshain. Das noch erhaltene denkmalgeschützte Gebäude zwischen der Friedenstraße, der Pufendorfstraße und der Landsberger Allee
besteht aus dem im Jahr 2001 restaurierten und mit Büros und
Gewerberäumen ausgestatteten Brauhaus. Das anliegende Sudhaus und das
Maschinenhaus wurden Anfang 2015 zugunsten einer Wohnbebauung
abgerissen.
Geschichte und Unternehmen
Am 17. Juni 1868 erwarb der Berliner Jurist Armand Knoblauch (1831–1905) ein acht Morgen
großes Grundstück der Frau von Lamprecht an der Landsberger
Chaussee 11-13 zwischen Frieden-, Mathias- und Pufendorfstraße. Das
damals außerhalb der Stadtmauer am Landsberger Tor liegende Gelände
hatte noch einen völlig ländlichen Charakter. Hier erhoben sich die
Höhen des Barnim mit dem Windmühlenberg und dem Friedhof der Märzgefallenen auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Friedrichshain.
Aktie von 1873
Nach dem Vorbild eines böhmischen Musterbetriebes gründete er eine familiengeführte Brauerei,
die zeit ihres Bestehens als äußerst moderne Brauerei galt. Sie
arbeitete stets mit dem Einsatz neuester Technologien. Am 16. März 1870
wurde das Unternehmen in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt. Die Produktion konnte innerhalb von sieben Jahren von 20 000 auf 200 000 Hektoliter
jährlich gesteigert werden, womit das Unternehmen einer der
Spitzenproduzenten im Raum Berlin war. Im Jahr 1898 setzte das Böhmische
Brauhaus das erste Biertransportauto in Berlin ein.
Der tiefliegende Grundwasserspiegel ermöglichte den Bau von
Kellereien, die 14 Meter und tiefer trocken in den lehmigen Baugrund
eingebettet werden konnten. Der Höhenunterschied war auch für die
technischen Anlagen der künftigen Brauerei hervorragend geeignet.[1]
Um dem stetig steigenden Absatz gerecht zu werden und auch nach
warmen Wintern genügend Eis zur Bierkühlung zu haben, wurde 1883 die
Natureiskühlung auf eine mechanische Kälteerzeugung der Linde AG
umgestellt. Im selben Jahr wurde der frühere Eiskeller nun zu
gewöhnlichen Lagerräumen umfunktioniert. Während andere Brauereien nach
dem ungewöhnlich milden Winter 1884 nur mit großen Kosten ihren
Kältebedarf mit Natureis decken konnten, verkaufte das Böhmische
Brauhaus dank ihrer Kältemaschine Eis für 50 000 Mark an andere
Brauereien.[1]
Im Jahr 1894, dem Jahr des Streiks und großen Berliner Bierboykotts,
konnte nach schweren sozialen Kämpfen der 9,5-stündige Arbeitstag in der
Brauerei durchgesetzt werden.[1]
Armand Knoblauch starb am 20. Juni 1905. Robert Nortmann trat am
1. Januar 1908 als Mitinhaber in die Firma ein und Braumeister Georg
Sellge folgte im gleichen Jahr seinem Vorgänger Braumeister Kaden, der
nach 35-jähriger Tätigkeit ausschied.[1]
Am 10. Mai 1910 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, und fusionierte am 1. März 1922 mit der Löwenbrauerei zur Löwenbrauerei-Böhmisches Brauhaus AG.
Die bisherigen Geschäftsinhaber Robert Nortmann, Richard und Max
Knoblauch bildeten auch den Vorstand der neuen Gesellschaft.
Kommerzienrat Bernhard Knoblauch ging in den Aufsichtsrat und blieb dort
bis zu seinem Tod am 12. November 1927.[1]
Die technische Leitung übernahm Direktor Sellge, der seit 1914 dem
Vorstand der alten Böhmisches Brauhaus AG angehört hatte. Gebraut wurden
die Marken Löwen-Böhmisch Urgold, Löwen-Böhmisch Export, Löwen-Böhmisch Caramel, Löwen-Böhmisch Bock und als vornehmstes Bier das Pilsator.[1] Die Produktion konnte bis 1938 auf 420.000 Hektoliter gesteigert werden.
Der Betrieb wurde nach dem Zweiten Weltkrieg und der Enteignung der in Ost-Berlin gelegenen Brauereifilialen in die 1926 übernommene Bergschloss-Brauerei in West-Berlin verlegt. Im Jahr 1978 übernahm die Schultheiss-Brauerei das Löwenbrauerei-Böhmisches Brauhaus und legte es still.
Gebäudekomplex des Sudhauses
Das Sudhaus wurde 1868/1869 errichtet. Die weiteren Gebäude der
Brauerei kamen in den 1870er und 1880er Jahren hinzu. Dazu gehören drei
miteinander verbundene zwei- und dreigeschossige Kellergewölbe mit einer
Fläche von mehr als 3 000 Quadratmetern, die zuerst überwiegend als Eiskeller dienten. Ende des 19. Jahrhunderts war die Adresse der Brauerei Landsberger Allee 11–13.[3]
Mälzerei
Im Jahr 1893 erwarb die Brauerei das angrenzende südliche Grundstück zur Friedenstraße, worauf 1898/99 eine fünfgeschossige pneumatische Mälzerei nach Plänen des auf Brauereien spezialisierten Architekten Arthur Rohmer erbaut wurde. Die Architektur der Wand- und Fenstergestaltung besteht aus einer mit teilweise schwarz glasierten Ziegelornamenten aufwändig ausgearbeiteten, neoromanischen Fassadengliederung mit Rundbogenfriesen und Blendarkaden.
Da sich das Gebäude auf einem Geländevorsprung mit einem
Höhenunterschied von bis zu zehn Metern befand, wies es zur
Friedenstraße fünf beziehungsweise sechs und zum Betriebshof nach
Nordosten nur drei Geschosse auf, deren untere beiden in den
doppelgeschossigen Keller übergingen. So bestand ein ebenerdiger Zugang
zu den Lagerkellern, was zu Betriebszeiten die Transportarbeiten
erleichterte.
Mehrere Brände sowohl im Unter- als auch im Obergeschoss führten bis zum Abriss 2015 zu größeren Schäden an Teilen des Gebäudes.
Umnutzung der brauereitypischen Gebäude nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in dem stark zerstörten Komplex kein Bier mehr erzeugt. Der Lagerkeller diente 1952 bis 1992 der Berliner Weingroßkellerei und bildete das größte Weinlager der DDR. Im Mälzereigebäude befand sich ein Lager des Großhandelskontor Schuhe. In den 1970er Jahren wurden auf dem Gelände mehrere Werkstätten und Lagerflächen eingerichtet sowie ein Umspannwerk gebaut.
Das ehemalige Sudhaus war unter anderem erster Sitz des 1952 gegründeten Sportvereins SG Empor Brandenburger Tor 1952. Bis 1978 wurden zwei Sporthallen mit Unterstützung des Magistrats und der Trägerbetriebe ausgebaut. Noch im November 1990 eröffnete eine neue Asphalt-Kegelbahn. Insgesamt umfasste die Sportanlage eine Leichtathletikhalle, eine Turnhalle, eine Ballspielhalle, einen Tischtennisraum, einen Billardraum, zwei Kegelanlagen (Bohle und Asphalt), eine Leichtathletik-Kleinanlage, Umkleide- und Duschräume, eine Sauna, Kulturräume, Bettenräume und Verwaltungsräume.[4] Nach der Wende
gingen die Sportstätten in Treuhandbesitz über und wurden Ende 1990 vom
Bezirksamt Friedrichshain übernommen. Genutzt wurden sie noch bis 2001.
Restaurierter und unrestaurierter Brauereikomplex
Die fälschlicherweise der Brauerei zugeordnete Restauration Elysium
mit Festsälen und Biergarten mit etwa 2000 Plätzen befand sich in der
Landsberger Allee 40/41 (Ecke Peterburger Straße), im gleichen Haus wie
die Flora-Lichtspiele, Eigentümer war Carl Eisermann. Die Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Entwicklung nach 1990
Ende der 1990er Jahre wurde in der Landsberger Allee auf dem ehemaligen Brauereigelände ein Hotel für die Astron-Gruppe mit 244 Zimmern und 111 Wohnungen fertiggestellt.
Von 1999 bis 2001 restaurierte der Hamburger Projektentwickler B&L Immobilien
die Neue Mälzerei mit einem Investitionsaufwand von 14 Millionen Mark.
Hierbei entstanden auf 8300 Quadratmetern unter dem Namen Forum Friedrichshain Loftflächen, Büros, Gastronomieeinrichtungen und Gewerberäume.[5] Die ursprünglich zur Trocknung des Malzes genutzten Kuppelräume wurden zu Seminarräumen mit flexiblen Wänden umgebaut.[6] Direkt angrenzend befanden sich bis 2015 die weiteren, teilweise stark verwitterten Gebäude der Brauerei.